Es ist fünf nach zwölf: Zeit zu handeln!

Heimische Pflegekräfte mahnen am „Tag der Pflege“ bessere Rahmenbedingungen an.

Pflege braucht immer noch Aufwind und wird daher laut. Nachdem sich die Arbeitsbedingungen auch im zurückliegenden Jahr vielerorts nicht merklich verbessert haben, stehen Mitarbeitende der Diakonie heute deutschlandweit und auch bei uns in Mittelhessen um fünf nach zwölf vor ihren Einrichtungen und mahnen endlich spürbar bessere Rahmenbedingungen an. „Es ist höchste Zeit, dass wir handeln und das Ruder jetzt noch rumreißen“, erklärt Oliver Pappert, Geschäftsführer der Altenhilfe St. Elisabeth gGmbH mit Sitz in Cölbe. Denn der Fachkraftmangel nimmt eklatant zu.

Der heutige „Tag der Pflege“ ist ein Tag, der den meisten Menschen nicht bekannt ist, aber eine Thematik behandelt, die uns alle betrifft: die Arbeit der Pflegenden.

Wenn man altert, ist es gut möglich, dass man im Alltag zuhause unterstützt werden muss oder auch nicht mehr zuhause, sondern in Pflegeeinrichtungen betreut leben muss. Dabei gibt man seine Gesundheit und Lebensqualität in die Hände fremder Menschen - die Hände der Pflegenden. 

Die Bedeutung der Arbeit, die unsere Pflegenden tagtäglich leisten ist enorm, fundamental und nicht wegzudenken. Sie stützt die Grundpfeiler des Systems in dem wir leben, indem alt gewordene Menschen ein würdevolles Leben führen können müssen.

Wenn wir uns vorstellen, dass wir selber mal ein alt gewordener Mensch werden, wünschen wir uns natürlich die besten Pflegekräfte. Wir möchten, dass sich Zeit genommen wird, um alle unsere Bedürfnisse zu erfüllen und wir auf offene Ohren treffen, die unseren Sorgen lauschen und uns trösten.

Dies ist das, was Pflegekräfte bieten müssen und bieten wollen. Neben der gesundheitlichen Versorgung steht die Pflege für noch so viel mehr. Dies muss wieder leistbarer werden - der gute Wille der Pflegenden muss gestützt werden, es müssen mehr Maßnahmen ergriffen werden, um die eigentlich so schöne und bedeutungsträchtige Tätigkeit der Pflege zu ermöglichen.

Applaus klingt schön, noch schöner klänge körperliche und emotionale Entlastung der Mitarbeitenden in und außerhalb der Einrichtungen.

„Wir möchten heute, am Tag der Pflegenden, einerseits allen Pflegekräften, insbesondere unseren Mitarbeitenden, unseren tiefen Dank aussprechen,“ so Pappert, „Wir sehen was ihr leistet, wir schätzen jedes ins Bett bringen, umziehen, säubern, Essen anreichen, versorgen und jede andere noch so kleine Tat von den vielen Taten die ihr im Alltag vollbringt. Zum anderen möchten wir den Tag nutzen und auf den Pflegenotstand, der viele belastet und alle betrifft, nochmal verstärkt aufmerksam machen. Pflege soll nicht mit Überlastung, Anstrengung und Zeitdruck in Verbindung gebracht werden, sondern wieder ein positiv assoziiertes Wort sein, nämlich das was sie ist: lebendig, wichtig, hingabevoll, mitfühlend und schön.

 

An alle Pflegenden: Ihr seid Helden.

„Die konkreten Vorschläge für eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung liegen vor und werden von einer großen Mehrheit der Verbände und auch pflegepolitischen Vertretern befürwortet.“, so Wilfried Wesemann, Vorsitzendes des „Deutschen Evangelischen Verband für Altenarbeit und Pflege“ (DEVAP) weiter. „Auch der DEVAP hat mit dem „Strategiepapier Altenarbeit und Pflege 2021 bis 2025“ hierzu seinen Beitrag geleistet. Wir fordern gemeinsam mit vielen anderen Akteuren einen Pflegegipfel und auch eine Enquete-Kommission für die Pflege, damit wir diese gemeinsam grundlegend reformieren und einen Masterplan entwickeln können. Die klugen Ideen sind da, um die Katastrophe abzuwenden und endlich gesamtgesellschaftlich die Langzeitpflege zu entlasten.“

Das demographische Pulverfass, das Maria Loheide, Vorständin für Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, bereits im vergangenen Jahr angemahnt hatte, paart sich mit knapp 500.000 Pflegekräften, die in den kommenden zehn Jahren in ihren Ruhestand gehen. Es gibt immer mehr pflege- und hilfebedürftige Menschen und immer weniger Pflegende. „Das ist eine explosive Mischung, die die Pflegebedürftigen am Ende ausbaden müssen. Wir müssen es schaffen, wieder mehr Pflegende in den Beruf zurückzuholen und noch mehr Auszubildende für den Pflegeberuf zu gewinnen. Das geht nur, wenn Pflegekräfte eine nennenswerte Anerkennung ihrer Leistung erhalten. Eine bessere Personalausstattung und eine faire Bezahlung gehören genauso dazu, wie verlässliche freie Zeiten sowie freie Wochenenden“, führt Pappert weiter aus. Denn Pflege konkurriere mit zahlreichen Ausbildungsberufen, die besser bezahlt seien und eben genau diese verlässlichen und familienfreundlichen Arbeitszeiten haben.

Das von Wissenschaftlern um Professor Rothgang entwickelte Personalbemessungsinstrument für die Altenpflege wurde 2020 ins Pflegeversicherungsgesetz aufgenommen. Es verspricht zum 1. Juli dieses Jahres mit § 113c SGB XI eine neue, bessere Pflegewelt mit mehr Kolleg*innen. „Das sollen laut Rothgang-Gutachten vor allem Assistenzkräfte in einem neuen Personalmix sein“, erklärt Pappert. Dennoch bleibe die Frage: Woher nehmen und nicht stehlen? Denn der Personalmangel in der Pflege ist längst schon Realität und macht auch vor den Assistenzkräften nicht Halt.

Aus diesem Grund beteiligt sich die Altenhilfe St. Elisabeth mit ihren fünf Einrichtungen und der Tagespflege an der Aktion: „Es ist 5 nach 12“, um den Menschen in unseren Einrichtungen weiterhin eine würdevolle, und gute Pflege bieten zu können. „Dafür benötigen wir den Rückhalt der Politik und die finanzielle Ausstattung, die nicht nur auf dem Rücken der Pflegebedürftigen ausgetragen werden kann“, so Pappert.